Evidenzbasierte Medizin -
landei - 03.04.2014
Sunflower schrieb:Bei Sat3 (?) sah ich vor ein paar Wochen eine haarsträubende Sendung über chirurgische OP im KH: Ärzte, die nach der Anzahl der OP Prämien bekommen, ab 200 OPs pro Jahr z.B. 34.000 €!Angry
80% der chirurgischen Eingriffe sollen nicht evidence-basiert sein! 80 %!!!!!!Confused
http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=4413&pid=46874#pid46874
Nur für 11% von 3.000 Behandlungsleistungen liegt überhaupt Evidenz für Nutzen vor, bei 50% weiß man gar nichts.
http://www.forum-gesundheitspolitik.de/artikel/artikel.pl?artikel=2235
Ich sehe diese Diskussionen über evidenzbasierte Medizin allerdings inzwischen sehr kritisch. Auf welche Evdienz beruft sich eigentlich die Evdienzbasierte Medizin?
Evidenzbasierte Medizin wurde in Deutschland erst im Zuge der Leitlinienentwicklung und Qualitätssicherung populär und ins SGB V aufgenommen. 1993 trat das Gesundheitsstrukturgesetz in Kraft (Budgetierung zur Eindämmung der Ausgaben der gesetzl. Krankenkassen). Im selben Jahr beschloss der Deutsche Ärztetag Leitsätze zur Qualitätssicherung ärztlicher Berufsausübung. Zeitgleich arbeitete der vom damaligen Gesundheitsminister beauftragte Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen an einem Sondergutachten über die Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung über das Jahr 2000 hinaus, mit dem künftige Gesundheitsreformen im Hinblick auf die bereits eingetretene Ressourcenknappheit vorbereitet werden sollten.
Der im Januar 1994 veröffentlichte Sachstandsbericht griff die Empfehlungen des Deutschen Ärztetags auf und veranlasste die AWMF zu einer Umfrage bei ihren Mitgliedsgesellschaften zu empfohlenen diagnostischen Konsensus-Richtlinien, standardisierten therapeutischen Verfahren, gesicherten epidemiologische Informationen und heute noch regelmäßig praktizierten Verfahren zu Diagnostik und Therapie, die aus damaliger wissenschaftlicher Sicht obsolet seien. Es ging also nicht ausschließlich um Handlungsempfehlungen oder Standards, sondern vor allem um Kosteneinsparung
„Qualitätssicherung wirkt auch als Instrument zur Vermeidung von Überfluss und Defiziten“ (Sachverständigenrat Sondergutachten 1995).
In dem Stil argumentieren die Anhänger der evidenzbasierten Medizin bis heute.
Auch bei der Choosing Wisely Initiative geht es vorrangig um Überversorgung
http://www.kooperation-international.de/detail/info/eine-choosing-wisely-initiative-fuer-deutschland.html
2009 wurden bereits mit dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt "Allokation" kostensensible Leitlinien diskutiert. Diese Leitlinien sollten dem behandelnden Arzt vorgeben, welche Patienten eine teurere Behandlung erhalten und welche auf eine günstigere ausweichen müssen. Es müsse "bei denjenigen Patienten gespart werden, die ein kleineres Opfer erbringen müssen, wenn sie auf die günstigere und etwas weniger wirksame Behandlungsmöglichkeit ausweichen müssen". Diese kostensensiblen Leitlinien ließen sich aber rechtlich (noch) nicht durchsetzen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/158364.rationierung-wird-salonfaehig.html
http://www.iegm.uni-tuebingen.de/index.php?option=com_content&task=view&id=53&Itemid=172
RE: Evidenzbasierte Medizin -
Sunflower - 04.04.2014
Ich habe mein Thread von Gestern korrigiert: es handelte sich in der Sendung (die Link konnte ich leider nicht finden...war die Sendung womöglich auf einem anderen Sender?) um orthopädische chirurgische Eingriffe, nicht um chirurgische Eingriffe im Allgemeinen...sorry für diesen Fehler!
In D steht die Wirtschaftlichkeit von med. Behandlungen so weit ich weiß im Vordergrund: wenn der Nutzen die Kosten überwiegt, dann wird die Therapie bezahlt, wenn nicht, dann eben nicht.
Was orthopädische OP anbelangt, fördert das aktuelle System eher unnötige Kosten...
Und wegen des Prinzips der Gleichheit werden Therapien von den gesetz.KK nicht bezahlt, die den Patienten aber doch nutzen (wie in meinem Fall die Osteopathie: hartnäckige Muskelverspannungen in einer einzige Behandlung-80 €- aufgelöst, dagegen 12 Krankengymnastik mit nur vorübergehender Linderung).
Mit diesem System bekommen Ärzte Geld, auch wenn die Therapie dem Patienten nichts nutzt, also unanbhängig von der Leistung. Und Therapeuten, die gute Erfolge haben (z.B. Privatärzte oder IGEL Leistungen, Heilpraktiker) müssen Patienten aus eigener Tasche zusätzlich zu den hohen Krankenkassenbeiträgen bezahlen...
Würde man Therapeuten nach ihrer Leistung bezahlen (Geld nur nach Erfolg der Therapie) dann würde die Motivation der meisten Ärzte, dem Patienten effektiv zu helfen, mit hoher Wahrscheinlichkeit dramatisch steigen!
Andererseits würde manche Ärzte vielleicht eine Therapie verweigern, wenn sie das Gefühl hätten, daß sie dem Patieten nicht helfen können.
Vielleicht wären Erfolgsprämien zusätzlich zu einer Grundversorgung der ärzt.Leistung ein Anreiz, um die Qualität der Leistungen zu verbessern.
Aber keine Prämien nach der Zahl der Leistungen, wie das in orthopädischen Abteilungen von deutschen KH derzeit passiert.
Man spricht ständig vom Sparen im Gesundheitssystem und dann werden solche Pratiken geduldet...*kopfschütteln*
RE: Evidenzbasierte Medizin -
landei - 05.04.2014
Am 26. März stellte der Bundesgesundheitsminister den Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung vor (GKV-FQWG). Mit dem FQWG soll nun auch ein neues „Qualiätsprüfungsinstitut“ geschaffen werden, um die Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen um- bzw. auszubauen. Dort werden dann unsere Versichertendaten gesammelt und ausgewertet.
http://www.bmg.bund.de/krankenversicherung/finanzierungs-und-qualitaetsgesetz/weiterentwicklung-der-finanzstruktur.html
http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/G/GKV-FQWG-Kabinettfassung-140326.pdf