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Borreliose-Behandlungsmisere - Fachkräftemangel? - Motivation
#41

Der Mai ist der Borreliose-Monat, d. h.  Borreliose soll ins Bewusstsein der Menschen gebracht werden. Einerseits um generell Zeckenstiche zu vermeiden. Andererseits um aufzuklären, was Borreliose alles ausrichten kann und warum es oft nur sehr schwer zu diagnostizieren und zu behandeln ist. Davon abgesehen sind Borreliose und andere Erkrankungen durch Zeckenstich ein weltweites Problem.

Und dann liest man wieder solch eine Praxis-Kolumne der Medical Tribune vom 20.5.2025

Chronisch überzeugt – können wir gegenhalten?
Zitat:Von Kopfschmerzen über Müdigkeit – wann handelt es sich um Langzeitfolgen einer Lyme-Borreliose und wann nicht?

Zitat:Natürlich gibt es Fälle von Langzeitfolgen einer Lyme-Borreliose. Aber das sind Komplikationen einer lang andauernden Lyme-Borrelieninfektion, die zu spät erkannt und behandelt wurden. Dann spricht man allerdings von postinfektiösen Beschwerden oder Residuen der behandelten Akuterkrankung. Doch die Annahme der sogenannten „Fachkreise“, die sich auf diese Phänomene berufen, ist, dass die evidenzbasierte Medizin mit ihrer Diagnostik einfach nur zu ungenau sei, deswegen Infektionen übersehe und die herkömmlichen Antibiotika-Regimes außerdem unzureichend funktionierten.
 
Zitat:Bei wenigen Erkrankungen gibt es ein so ausgereiftes Netz der Alternativmedizin wie bei Borreliose. Unzählige Arztpraxen, Laienforen und Selbsthilfegruppen fühlen sich berufen, sich damit zu beschäftigen. Es gibt alternative Leitlinien wie die der Deutschen Borreliose-Gesellschaft und Handlungsempfehlungen der International Lyme and Associated Diseases Society – siehe die Empfehlungen an den Patienten oben. Überzeugen kann, wer etwas „tut“. Das beginnt mit Laborwerten, die eine scheinbare Diagnose bestätigen, und mündet in angeblich individuellen Empfehlungen zu einem doch allgemein bekannten gesunden Lebensstil.

Zitat:Diese Geschichte ist meines Erachtens ein schönes Beispiel dafür, wie unsere Patientinnen und Patienten aus Unzufriedenheit mit den Erklärungen der evidenzbasierten Medizin „neue Wahrheiten“ suchen – und finden.

Vielleicht sollte das Thema endlich einmal allseitig beleuchtet werden?
Zitat:Mit der schwer defizitären Gesundheitsversorgung von Menschen, die an Borreliose erkrankt sind, in der gesamten EU, also auch in Deutschland, hat sich im Jahr 2018 niemand geringeres auseinandergesetzt, als das Europäische Parlament (direkt gewählte Volksvertretung). Siehe "Petition zur Überprüfung von Borreliosetests-Mitmachaktion"

Mir stellen sich zu obiger Kolumne folgende Fragen:

Werden die Patienten aus ihrer "Unzufriedenheit" mit der Kassenmedizin nicht direkt in die Arme der Alternativmedizin getrieben? -
Ein Patient, der durch chronische Krankheitssymptome ggf. nicht mehr Arbeiten kann oder seine Lebensqualität so gesunken ist, sucht Hilfe, denn er möchte wieder die alte Lebensqualität zurück. Und so greift er nach jeden Strohhalm. 
Kann unsere Kassenmedizin die noch geben?.
Die Mediziner sind an Richtlinien und Budgets gebunden, Zeit zur intensiven Diagnostik fehlt, vieles überschreitet die Fachbereiche, Facharzttermine sind oft schwer zeitnah zu bekommen. Ein Kreislauf ohne Ende. Wo der chronisch Kranke Patient oft gar nicht hinein passt, weil akute Behandlungen an erster Stelle stehen. Und wenn er Pech hat, wird seine Symptomatik als Psychisch eingeordnet ...

Auf Grund der teils komplizierten Diagnose (ohne Wanderröte) sind Fehldiagnosen sowohl bei den Kassenmedizinern wie auch bei den Alternativmedizinern nicht ausgeschlossen.

Seit Jahren steht die Diskussion zur Standartisierung der Antikörpertests zur Borreliose. Siehe auch NRZ Borrelien. Man bekommt es nicht hin.
Für den Laien: In Deutschland werden ca. über 20 verschiedene Borrelienantikörper-Laborkits in der Kassenmedizin den Laboren angeboten, die qualitativ unterschiedlich sind und somit die Ergebnisse von Labor zu Labor nicht vergleichbar.

Warum werden die Patienten nicht aufgeklärt bzgl. Problemlage bzw. Situation der Diagnostik bzw. Behandlung in den Spätphasen der Infektion?

Die Lyme-Borreliose wurde vor 50 Jahren in Lyme in Amerika entdeckt. Corona vor 5 Jahren. Beides sind Infektionen und haben viele Parallelen.
Weder zu Long-Lyme noch zu Long-Covid gibt es Behandlungsempfehlungen. Zu Long-Covid wird Forschung angestrebt. Kleine Forschungsansätze bei Borreliose gibt es auch.
Aber eh diese mal in der Kassenmedizin  als Ergebnis Einzug halten???

Die überarbeitete ICD11 allein zur Lyme-Borreliose könnte schon ein paar Verbesserungen für den Patienten bringen, wenn sie denn mal irgendwann in unser Gesundheitssystem in Deutschland eingepflegt werden würde und auch hier zu Anwendung käme.

Ich verweise auch auf die zwei aktuellen  Dokumentarfilme, welche hier auch unter den News verlinkt sind:
"Chronisch krank - chronisch ignoriert" von Arte
bzw. "Doctors as Patients" aus den Niederlanden.
Beide Filme beschreiben u. a. auch das Schicksal von Patienten mit Borreliose.

“Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.” Mahatma Ghandi

Macht mit in unserem Patientenverein!
Ohne OnLyme-Aktion.org = kein Forum!
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Thanks given by: Valtuille , urmel57 , micci
#42

Danke für den Link...
Etwas traurig, dass das ganze so undifferenziert wieder gegeben wird und teils auch falsch oder zumindest unpräzise formuliert wird in dem Beitrag...

Ich mach mir mal den Spaß und gehe das durch:
Zitat:Doch da sind sie wieder: das „Post-Borreliose-Syndrom“ und die „chronische Lyme-Borreliose“. [...]
Aber das sind Komplikationen einer lang andauernden Lyme-Borrelieninfektion, die zu spät erkannt und behandelt wurden. Dann spricht man allerdings von postinfektiösen Beschwerden oder Residuen der behandelten Akuterkrankung.
Der wissenschaftliche Konsens spricht vom Post-TREATMENT-Lyme-Disease-Syndrome. Nach der Behandlung. Nicht zwangsweise nach der Borreliose, da unklar ist, woher die Beschwerden kommen. Ist es bei bleibenden Residuen eigentlich immer noch Post-Lyme oder zählen nur lebende Borrelien (ggf. ein Fall für die borrelianische Antidiskriminierungsstelle Biggrin )?
Ob diese von einer akuten Infektion oder Residuen kommen, ist dem Patienten zunächst egal. Hier klingt das dann doch ziemlich nach Bagatellisierung... Da es keine evidenzbasierte Behandlung gibt, die Beschwerden gerne bagatellisiert werden und kein Arzt sich für die Patientengruppe zuständig fühlt, ist es nicht verwunderlich, dass nicht wenige derer, die nicht mit der Standardantibiose geheilt werden, früher oder später in eine "Spezialpraxis" gelangen.

Zitat:Eine spezielle Antikörperbestimmung sicherte die Diagnose „chronische aktive Borreliose“. Und eine Antibiotikakombination über anderthalb Monate sollte kurieren. Für beide dieser Ansätze gibt es allerdings keinerlei Evidenz.
Eine Antikörperbestimmung ist der Standardtest, was ist denn "speziell" und wieso gibt es keinerlei Evidenz? Dass die unterschiedlichen Testkits bei gleicher Blutprobe zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, ist dagegen wissenschaftlich nicht unbekannt: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21271270/
Richtig ist, dass es keine Evidenz für eine Antibiotikakombinationstherapie gibt, wobei 6 Wochen auch "nur" 2 Wochen über den für das Spätstadium empfohlenen 4 Wochen liegt.

Zitat:Dann folgten zahlreiche weitere Ratschläge, von Saunabesuchen bis hin zu Ernährungshinweisen. Aber die sind schließlich auch nie verkehrt.
Ja, leider wird das bei nicht wenigen Ärzten vernachlässigt. Bei Borreliose fraglich, für die Prävention einiger Zivilisationserkrankungen ganz sinnvoll... zumindest wenn die Ernährungshinweise was taugen.

Zitat:Bei wenigen Erkrankungen gibt es ein so ausgereiftes Netz der Alternativmedizin wie bei Borreliose. Unzählige Arztpraxen, Laienforen und Selbsthilfegruppen fühlen sich berufen, sich damit zu beschäftigen.[...] Ich hatte nur gehofft, dass mit der Coronapandemie mehr Verständnis für das keineswegs neue Phänomen der postinfektiösen Syndrome aufkommt. Doch die chronische Lyme-Borreliose ist unverändert Thema.

Das dürfte daran liegen, dass trotz der Bekanntheit keine evidenzbasierte Therapie zur Verfügung steht und teilweise auch heute noch die Existenz postinfektiöser Syndrome von einigen Ärztegruppen bestritten wird.

Es ist aber zutreffend, dass ein immer größerer Markt für sehr fragwürdige privat zu bezahlende Therapien oder Informationen existiert. Sehr viele Aussagen und Empfehlungen sind fragwürdig, hier im Forum hingegen versuchen wir, meiner Ansicht nach, deutlich mehr zu differenzieren, als es an anderen Stellen im Internet der Fall ist. Dass bei nicht wenigen Anbietern einiges sehr fragwürdig läuft und auch auf Gewinnmaximierung abzuzielen scheint, muss man als reflektierter Betroffener auch anerkennen. 

Bei den alternativen Behandlungsmethoden der sogenannten Spezialisten ist sehr, sehr viel heiße Luft drinnen. Die Erfolgsquoten sind kaum einzuschätzen, was auch an der sehr heterogenen Patientengruppe liegt.
Einige haben eine aktive Borreliose, die noch nie behandelt wurde, einige eine fraglich aktive Borreliose, die bereits behandelt wurde und andere haben vermutlich gar keine Borreliose. 
Gemeinsam hat die Patientengruppe eines: Sie fallen aus dem Raster der normalen ärztlichen Routinen.

Anstatt "Victim-Blaming" zu betreiben, wäre es vielleicht sinnvoller, den, teilweise durchaus fragwürdigen Behandlungspraktiken, einfach den Nährboden zu entziehen, in dem man Angebote schafft, die der Komplexität der Patientenbiographien gerecht wird. Leider sehe ich diese nicht. Da wäre dann doch bei aller Schelte auf die "Alternativmedizin" auch etwas Selbstreflektion und Selbstkritik angesagt. Wenn man nach langjährigen Beschwerden im Arztgespräch nicht mal seine Patientengeschichte schildern kann, ohne dass die ärztliche Behandlungszeit rum ist, kann man es Patienten kaum verdenken, dass sie sich nicht mit einem "Basta" abfertigen lassen. Das Wissen um die Borreliose ist bei nicht wenigen Medizinern auch nicht so ausgeprägt, wie man es sich wünschen würde, die Serologie kryptisch (und es gibt keinen Test, der zwischen aktiver und ausgeheilt unterscheiden kann... macht ja nichts... ist ja alles nicht so wild) und die Ärzte aufgrund des Fachkräftemangels zunehmend überfordert.

Was den allermeisten Patienten bleibt, ist nicht der Glaube an die Last einer schweren Erkrankung, sondern das Streben nach Lebensqualität und ein Leben ohne Schmerzen und ohne berechtigte existenzielle Sorgen (noch trauriger ist, dass inzwischen nahezu alle Spezialisten nur noch privatärztlich tätig sind, dies war vor 10 Jahren noch anders).

Wenn ich meine jüngsten ärztlichen Erfahrungen Revue passieren lasse, ist mein subjektiver Eindruck, dass die Patientenversorgung immer schlechter wird. Die Qualität der Diagnosen und die ärztliche Sorgfalt nehmen immer mehr ab. Die hausärztliche Bereitschaft, sich mit Erkrankungen der Patienten auseinanderzusetzen (und nein, ich meine nicht Borreliose) sehe ich bei mir gar nicht mehr gegeben... Wenn ich ehrlich bin, bin ich teils schon froh, wenn der ein oder andere junge (Fach-)Arzt, den ich in den letzten Jahren erlebt habe, sich nicht die Bügel seines Stethoskops in die Nase schiebt (zugegeben: Das war jetzt sehr unfair und polemisierend, es gibt auch einige sehr gute Gegenbeispiele).

Ein jüngstes Fallbeispiel einer späten Neuroborreliose aus der Schweiz, aus dem Abstract:
Zitat:Der Patient litt mehr als 1,5 Jahre lang unter Symptomen, bevor die Diagnose durch die Untersuchung von Liquorproben und eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Wirbelsäule gestellt wurde. [...] Die lange Verzögerung bis zur Diagnose und schließlich bis zum Beginn der Antibiotikabehandlung wurde wahrscheinlich durch die anfängliche Zuordnung der Symptome zu psychosomatischen Ursachen beeinflusst.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40330918/

PS: Es gibt einen Youtube-Kanal von einem Arzt mit gleichem Nachnamen, der u.a. auch schon etwas zur vermeintlichen Babesiose gepostet hat, ggf. besteht hier ja eine Verbindung: https://www.youtube.com/watch?v=9-Dq2PGcnKU
PPS: Entschuldigt den langen Beitrag.

The elm, the ash and the linden tree
The dark and deep, enchanted sea
The trembling moon and the stars unfurled
There she goes, my beautiful world
Zitieren
Thanks given by: micci , urmel57 , FreeNine


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