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Borreliose meine Geschichte
#1

Mein Leben mit Borreliose

Ich bin kein großer Schreiber, noch habe ich das jemals wirklich gemacht. Aber ich möchte einfach mal meine Erfahrung mit der „Nicht“-Krankheit preisgeben und euch einen kleinen Einblick in den Alltag eines Menschen geben, der nahezu alle Symptome hat – dem es aber trotzdem besser geht als vielen mit der Seuche.

Er ist allgegenwärtig und immer da. Ich für meinen Teil habe permanente Kopfschmerzen. Witzig dabei sind die unterschiedlichen Stufen davon.

Es gibt die „normalen“ Kopfschmerzen – an die hat man sich über die Jahre fast schon gewöhnt.
Dann gibt es Kopfschmerzen wie nach einem guten Wochenende, mit Festplatten-Reset. Da wirft man sich mal eine Tablette in den Kopf und dann geht das schon irgendwie.

Aber das Highlight sind die Kopfschmerzen, bei denen Geräusche dich aggressiv machen und Tageslicht versucht, sich einen Weg durch deinen Schädel zu brennen. Die sind super…
Meistens ist man aber bei Stufe 1 oder 2.
Hatte ich schon erwähnt, dass das immer der Fall ist? Es gibt keinen Tag ohne.

Ein weiterer Knaller ist das Treppensteigen.
Da ist nicht das Rauf das Problem – das ist nur anstrengend.
Du kannst nicht runtergehen. Frag mich nicht, warum das so ist – ich bin bei weitem kein Arzt.

Die Gelenke wechseln sich an der Spitze mit „Was mir heute den Tag versaut“ mit den Kopfschmerzen ab.
Mal ist es mehr davon, mal das andere.
Du kannst nicht lange stehen, nicht lange sitzen – und selbst beim Schlafen wirst du wach, weil dir einfach die Knochen wehtun.

Durchschlafen ist sehr selten – beziehungsweise: Der Körper holt sich irgendwann seine Ruhe und klinkt sich auch mal für zehn Stunden aus.

Hatte ich schon erwähnt, dass es immer der Fall ist?

Viel Bewegung hilft – ja. Aber Spaß macht das nicht. An manchen Tagen ist es fast unmöglich. Ich bewege mich wie mein Opa. Echt! Du müsstest mal zugucken, wie ich an einem guten Tag versuche, ins Auto einzusteigen.

Dadurch, dass ich super schlafen kann – oft – lass ich’s manchmal einfach sein.
Ich weiß, ist nicht cool, aber für mich teilweise angenehmer.

Aber meistens bin ich einfach nur permanent müde – und nur sehr schwer zu motivieren, den Arsch in Gang zu setzen. Selbst lange Schlafphasen sind selten wirklich erholsam.

Inzwischen hat das Ganze bei mir sogar neurologische Defekte ausgelöst. Heppa – mal was anderes.

Mal abgesehen davon, dass Lesen immer schwerer wird (kann auch am Alter liegen), gibt es so Momente, in denen ich auf Schlag gefühlt zwei Promille habe – oder der Kreislauf sagt: „Bin dann mal weg.“
Das kommt aber Gott sei Dank sehr selten vor.
Nur wenn ich hochgucke – oder halt auch mal einfach so, ganz stumpf.
Das kündigt sich aber vorher an.

Ich habe das Motorradfahren trotzdem an den Nagel gehängt.
Ja, ich weiß – beim Autofahren ist das auch scheiße.
Aber es geht meistens nur ganz kurz.
Außerdem ist es ja keine anerkannte Krankheit.
Also: Leck mich.

Hatte ich erwähnt, dass es immer so ist?

Aber ich will nicht klagen – es gibt Leute, die sind mit der „Nicht-Krankheit“ deutlich schlimmer dran.
Laufen lernen, Sprache neu lernen, Lähmungen, Rollstuhl – oder sogar Herzprobleme, die lebensgefährlich werden können.
Das blieb mir bisher erspart.

Nicht schlecht, was so eine pseudo-nicht-anerkannte Krankheit alles anstellen kann. Wahh!

Warum ist sie nicht anerkannt?
Naja, damit kann man kein Geld verdienen – ganz einfach.
Eine frühzeitig erkannte Borreliose ist super schnell und einfach behandelbar.
Vorausgesetzt, die Behandlung schlägt an.

Da es so viele unterschiedliche Symptome gibt, ist es wohl auch ein bisschen Glücksspiel, ob’s klappt oder nicht.

Bei mir haben sie direkt abgewunken mit den Worten:
„Damit müssen Sie jetzt leben.“

Glaub mir:
Wenn du über die Straße gehst und nicht nach links oder rechts guckst, in der Hoffnung, dass vielleicht ein Bus kommt, der nicht bremst –
…dann weißt du, wo der Frosch die Locken hat.

Feeling good?

Es ist nicht der starke Schmerz, der einen nervt.
Es ist das permanente Leiden über einen langen Zeitraum, das einen auf Dauer auffrisst.

Die Tabletten machen deinen Magen kaputt, es sind immer diese fucking Schmerzen.
Oder – bei einigen – noch viel schlimmer.

Das macht einen fertig – und sorgt, gemeinsam mit den Stimmungsschwankungen, für echt merkwürdige Gedanken an schlechten Tagen.
Ach ja – die hatte ich ja noch gar nicht erwähnt.

Naja, kommt schon mal vor, dass ich in ein Loch falle und mir am liebsten die Rübe wegballern würde.
Meistens bleibt es aber bei einem (oder mehreren) 0,5er Blechdosen-Geschossen, die ich mir reinpfeife.

Es gibt aber auch das genaue Gegenteil:
Da gehört mir die Welt, und keiner kann mir an den Karren pissen.

Aber meistens bin ich einfach nur da – und spiele mein Leben weiter.
Hatte ich das schon erwähnt?
Ja, hatte ich. Ich weiß.

Erst mal ’nen Kaffee.
Vom ganzen Getippel hab ich ’nen ganz trockenen Hals bekommen.

Diagnostik

Ich hatte keine Wanderröte. Auch keinen bewussten Zeckenstich.
(Ja – eine Zecke sticht, sie beißt nicht.)

Es hat Jahre gedauert, bis meine Hausärztin – die beste! – auf die Idee kam, das mal testen zu lassen.

Also ab ins Krankenhaus, Rückenwasserentnahme – und siehe da: die Arschkarte.

Jahre vorher hatte ich schon alles Mögliche diagnostiziert bekommen:
Rheuma, kaputte Knie, kaputter Rücken – ach, was weiß ich noch alles.
Sicherlich ist nach Jahren auf dem Bau nichts mehr auf Neuwagen-Niveau,
aber die eigentlichen Probleme lagen ganz woanders.

Hat nur keiner erkannt.

Okay – gebracht hat’s mir jetzt auch nix, weil es bei mir nicht mehr heilbar ist.
Aber immerhin weiß ich jetzt, warum es ist, wie es ist.

Ich könnte noch so viel schreiben –
…aber es ist mir gerade zu anstrengend.

Also:
Prost Kaffee.
Passt auf euch auf.
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Thanks given by: micci , FreeNine , Gabi68 , Sabine , Waldgeist
#2

Hallo Heisenberg- herzlich willkommen  Icon_winken3

ich hab mich sehr gefreut heute Morgen über deine Geschichte  Heart . Nicht dass sie so erfreulich wäre, aber weil Du trotz deiner langen Leidensgeschichte so schwungvoll geschrieben hast. Das hat mich abgeholt beim Morgenkaffee.
Und natürlich genau das beschreibst, wie es um unsere Erkrankung bestellt ist, die Ignoranz, die Abwesenheit von Diagnostik,Behandlung, Forschung... 
Ich bin demnächst 14 Jahren krank und meine Borreliose hat nach langer Behandlung zu ME/CFS gewechselt. Aber es ist ziemlich gleich, wie man es benennen will, da die Symptome bei PAIS sehr ähnlich sind.
Ich hoffe deshalb auf die Forschung zu ME/CFS, die uns hoffentlich helfen kann. Wann und ob alle davon profitieren ist offen. Aber HEY- aufgeben ist nicht! (was mental nicht immer geht- ich hau das gerade auch aus einer ziemlich schlechten Phase raus...)

Ich wünsche dir einen freundlichen und erträglichen Tag. Viele Grüße
micci

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Thanks given by: Gabi68 , Sabine , FreeNine
#3

Hallo Heisenberg,

herzlich Heart willkommen, auch wenn der Anlass kein schöner ist. 
Icon_kolobok

Ich musste jetzt erst mal kurz antworten, da du einerseits meine Geschichte fast 1:1 auf eine lockere Weise darstellst und dabei noch einen gewissen Humor hast. 
Die Beschreibung der Schmerzen hätte ich letztens beim Schmerzarzt benötigt.
  Biggrin

Bei mir hat sich alles schleichend entwickelt. D.h. es beschäftigt mich schon rund 25 Jahre. Die Diagnose bekam ich dann vor 17 Jahren. Musste erst  mal rechnen. 
 
Nun geht's bei mir in miccis Richtung, d.h. der Schmerzarzt hat mir jetzt auch CFS mit der G93.3 gesichert bestätigt. Hilft aber eben auch nicht wirklich weiter...

Das kurz zur Begrüßung. 

Du bist nicht allein. Icon_haufen

Der Mann und der Frühstückskaffee rufen..

Bis bald und einen der besseren Tage wünsche ich dir heute, diese Woche usw.
VG von FreeNine

“Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.” Mahatma Ghandi

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Thanks given by: Gabi68 , Sabine , micci
#4

Hey danke euch für das positive Feedback. Wollte mir das gestern nur mal von der Seele schreiben weil ich gerade wieder in so einem super tollen Schub drinne bin. Sollte auch kein jammern sein oder Mitleid erregender tüddelüt. Das ist stumpf nur mal so wie es mir persönlich damit geht und wie ich versuche damit umzugehen. Und na klar wollte ich mir auch ein bissel Luft machen weil ich nächstes Jahr das halbe Jahrhundert voll mache und ich mich einfach drüber aufrege das so eine .. ich sag mal lebenseischränkung nicht anerkannt wird. Ich war Jahre lang Parkettleger und Feuerwehrmann inzwischen gammel ich im Sicherheitsdienst rum weil viel mehr gar nicht drinnen ist. Neue Arbeitsabläufe sind super anstrengend für mich sie zu verinnerlichen weil ich auch viele Sachen einfach vergesse oder erst später daran denke. Ich glaube ich schreibe mir heute nochmal n zweiten Teil zusammen. Bleibt stark und gesund. Grüße Dirk
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Thanks given by: Gabi68 , FreeNine , micci
#5

(10.07.2025, 17:47)Heisenberg schrieb:  Hey danke euch für das positive Feedback.

. Und na klar wollte ich mir auch ein bissel Luft machen weil ich nächstes Jahr das halbe Jahrhundert voll mache und ich mich einfach drüber aufrege das so eine .. ich sag mal lebenseischränkung nicht anerkannt wird.

Bleibt stark und gesund. Grüße Dirk
Hallo Dirk,

Danke für deine Rückmeldung.

50 Jahre ist ne lange Zeit und ich kann dich voll verstehen. Ich schlage mich erst die Hälfte dieser Zeit damit herum. Blush
Menschen, die diese Erfahrung nicht selbst machen, können es oft nicht selbst nachvollziehen bzw. Sich auch nicht in unsere Lage versetzen.

Das Forum ist ja zum Austausch gedacht und in meinen  schweren Zeiten hat mir der Kontakt zu vielen Betroffenen mit ähnlichen Problemen sehr geholfen, allein um zu spüren, dass man nicht allein so  beschis... dasteht.

Ich habe allein 10 Jahre gekämpft um Anerkennung der Lebenseinschränkung mit allen Behörden bis Landessozialgericht. Die Borreliose wurde in einem Verfahren gegen die KK sogar vom Gericht bestätigt. Die Rentenversicherung hat es nicht anerkannt.. Dann kam nochmal ein langer Weg. 
Seit 2021 bin ich voll EM- berentet bis zur Altersrente genau auf diese Leistungseinschränkungen. Diagnosen sind im Rentenbescheid nicht zu finden.
Aber die Rente wurde nach einer Teilnahme an einer (individuell, maßgeschneiderte) Maßnahme für Betroffene mit ME/CFS umgehend bewilligt.
Alles eine sehr lange Geschichte.

Irgendwann konnte ich in meinem Bürojob nicht mehr konzentriert, fehlerfrei arbeiten, was meinem Chef auffiel und das war der Beginn eines langen Kampfes gegen "Windmühlen".

Mein Chef hat mich damals nicht gekündigt, da er mich in alter Verfassung wieder haben wollte. Ich sollte mir einen Arzt suchen, der mich endlich richtig behandelt. Heute weiß ich aus gesammeltem Wissen, das genau das das Problem ist. Mit Krankengeld, ALG 1 und ALG2 ist dann auch keine kostenintensive Privatbehandlung mehr möglich und dass diese Behandlung dann anschlägt, auch dafür kann niemand eine Garantie geben.

Unser Verein wurde vor über 10 Jahren gegründet um auf die Missere bei Lyme-Borreliose aufmerksam zu machen, für eine bessere Diagnostik, Behandlung und Anerkennung zu kämpfen. Zur Zeit ist die Luft etwas raus. Viele werden Älter, haben andere Probleme,  sehen keine Hoffnung, Perspektive usw. 
Zeiten und Ansprüche ändern sich. 
Bin gespannt, wie sich alles weiter entwickelt.

Ich wünsche auch dir, bleib stark und gesund (soweit möglich) und freue mich auch jetzt immer wieder über positives Feedback.

VLG von FreeNine

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#6

(Gestern, 11:36)FreeNine schrieb:  50 Jahre ist ne lange Zeit. Ich schlage mich erst die Hälfte dieser Zeit damit herum. Blush

Ich glaube Dirk wird 50, nicht seine Leidenszeit mit Borreliose  Blush ,aber dass kann er ja gerne noch aufklären, hihi


LG
micci

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Thanks given by: FreeNine
#7

@ micci,
Stimmt, so kann man es auch lesen  Biggrin.
Naja mein Hirn braucht oft etwas länger.  Icon_weckruf
Danke für deine Erklärung  Cool

“Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.” Mahatma Ghandi

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#8

Ich kann gerne mit über 50 Jahren Borreliose dienen! (1971)                     zeitzone
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Thanks given by: FreeNine


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